Zweistaatenlösung begraben
Von Helga Baumgarten
Alarmstimmung in Ostjerusalem: Die Planungen für »E 1« sind plötzlich wieder akut! Worum geht es dabei? »East 1« ist ein Gebiet unmittelbar östlich von Jerusalem in der Westbank. In ihm soll eine Siedlung entstehen, um die bestehende Kolonie Maale Adumim direkt mit der geteilten Stadt zu verbinden, sprich mit dem Ölberg und dem Skopusberg, auf dem sich ein Campus der Hebräischen Universität befindet. Was genau wird die Folge sein? In »E 1« sollen 3.421 neue Wohneinheiten für israelische Kolonialisten gebaut werden. Gleichzeitig werden damit 3.000 palästinensische Beduinen aus ihren Dörfern vertrieben, zuerst und vor allem die Bewohner der durch ihre Kämpfe weltweit bekannten Ortschaft Khan Al-Ahmar direkt an der Straße von Jerusalem nach Jericho. Entscheidend sind die politischen Konsequenzen. Der Bau wird das gesamte Westjordanland effektiv zweiteilen. Damit ist gleichzeitig die Zweistaatenlösung unmöglich gemacht. Und die Heraustrennung Ostjerusalems aus dem natürlichen Umland, der Westbank, wird endgültig zementiert.
Ran Jaron, der bei den beiden kritischen NGOs »Ir Amim« (Stadt der Völker) und »Physicians for Peace« aktiv ist, hat mich gleich alarmiert und ausführlich informiert. Schon 2020 haben betroffene Palästinenser zusammen mit »Ir Amim«, »Peace Now« und der »Association of Environmental Justice in Israel« gegen die Regierungspläne für den Siedlungsbau in »E 1« offiziellen Widerspruch eingelegt. Sie wurden unterstützt durch internationale Proteste aus den USA und aus Europa. Das führte dazu, dass die israelische Regierung ihre Pläne erst mal auf Eis legte. Jetzt wurden die Kläger informiert, dass ihr Widerspruch entweder kommenden Dienstag oder am 6. August vom Obersten Planungsrat gehört werden soll. Alle erwarten eine Ablehnung und die endgültige Genehmigung der Bauvorhaben für »E 1«.
Diese Entwicklung schloss direkt an den letzten Besuch von Benjamin Netanjahu bei US-Präsident Donald Trump in Washington an. Es ist zu vermuten, dass sich der israelische Premierminister die Zustimmung von Trump geholt hat. Proteste dagegen gab es bis dato nur aus Frankreich. Die Planungen für »E 1« müssen auch in Verbindung mit dem sogenannten Jerusalem-Metropolitan-Gesetz vom März gesehen werden. Dieses sieht vor, dass sämtliche Siedlungsblocks rund um Jerusalem eingemeindet, sprich: unter israelische Souveränität gestellt werden. Die Regierung bricht damit wieder einmal internationales Recht.
Schließlich ist der Bau einer Umgehungsstraße, zynischerweise »Fabric of life«- bzw. »Stoff des Lebens«-Straße benannt, im Gange, finanziert mit umgerechnet etwa 85 Millionen Euro. Damit soll der gesamte palästinensische Verkehr aus dem Norden der Westbank in Richtung Süden von der israelischen Verbindungsstraße Jerusalem–Maale Adumim bzw. aus dem gesamten Gebiet von »E 1« verlagert werden: Apartheid pur. Eine Straße für israelische kolonialistische Siedler, eine für die Palästinenser unter Besatzung.
Und als ob das alles nicht genug wäre, wurde schon im Februar die Errichtung eines neuen Parks genehmigt, des »Mount Scopus Slopes National Parks«. Damit wird das gesamte offene Land zwischen den palästinensischen Stadtvierteln Al-Isawija und Al-Tur zur weiteren Anbindung zwischen Hebräischer Universität, »E 1« und Maale Adumim benutzt. Für die Palästinenser in Al-Tur und Al-Isawija heißt das, dass es für sie keinerlei Expansionsmöglichkeiten mehr gibt. Sie sind schlicht eingekesselt.
Derweil gehen die Häuserzerstörungen ununterbrochen weiter. In Al-Saajim wurden 14 Häuser abgerissen, in Abu Nuwar fünf. Beide Beduinengemeinden grenzen direkt an »E 1« an. In Ostjerusalem selbst wurden sechs Häuser zerstört, zwei davon im Stadtteil Silwan südlich der Altstadt. Und in Gaza wird ohne Unterlass weiter gemordet.
Dies ist die 42. Kolumne von Helga Baumgarten, emeritierte Professorin für Politik der Universität Birzeit in Palästina
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